Debatte zum EU-Gipfel in Brüssel

17. Juni 2005

Der Bundestag hat vor dem EU-Gipfel über die Zukunft der Europäischen Union debattiert. Angela Merkel vermisste beim Kanzler ‚Mut und Entschlossenheit‘ und warnte vor einem grenzenlosen Europa. Ein einfaches „Weiter so“ kann es nach den gescheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden nicht geben, davon ist die Kanzlerkandidatin der Unionsfraktion, Angela Merkel überzeugt.


In der Debatte nach einer Regierungserklärung des Kanzlers zum EU-Gipfel in Brüssel kritisierte Merkel die Europa-Politik Schröders scharf. Sie vermisse beim Kanzler „Mut und Entschlossenheit“ auf die europäische Krise angemessen zu reagieren und eine Antwort auf die Frage, was passiere, wenn einige Länder den Ratifizierungsprozess des Verfassungsvertrages nicht fortsetzen wollten.
Die Menschen fürchteten sich vor einem grenzenlosen Europa. Die EU stehe jetzt am Scheideweg, was die Integrationstiefe und die Erweiterung angehe. Merkel forderte, die „Ängste der Menschen“ aufzunehmen. Es sei für die Menschen nicht erkennbar, wo die Grenzen lägen.
„Tragisch“ sei es, dass der Verfassungsvertrag in diesen beiden Ländern gescheitert sei, obwohl der Text gerade versucht habe, Kompetenzen für Europa zu begrenzen, unterstrich Merkel. Die Oppositionsführerin legte ein klares Bekenntnis ab: „Wir brauchen Europa!“ Anders sei die Globalisierung nicht zu bewältigen und seien viele Fragen für ein einzelnes Land nicht zu lösen.
Im Sinne des in Lissabon vereinbarten Wachstumsprozesses trat sie für die Festlegung klarer Prioritäten ein, „was wir in Europa brauchen und was nicht“. Leider sei der Bundeskanzler darauf eine Antwort schuldig geblieben. Merkel forderte eine „politische Selbstbeschränkung“ der EU, um deutlich zu machen: „Wir haben verstanden.“ Vorrang müsse eine wachstumsgetriebene Politik vor Bürokratie haben, unterstrich Merkel. Der Gipfel müsse eine klare Priorität für Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung setzen, alle Richtlinien müssten überprüft werden, ob sie diesem Ziel dienten.
Die Fraktionsvorsitzende bestand mit Blick auf die geplante Erweiterung der EU am 1.1.2007 bzw. 1.1.2008 um Bulgarien und Rumänien auf die Einhaltung der Beitrittskriterien. Auch 2008 müssten beide Länder die Kriterien erfüllen, um Mitglied zu werden. Eine mögliche Verschiebung des Beitrittstermins dürfe nicht zu einer Aufweichung der Kriterien führen.
Auch bei der Türkei bestand Merkel darauf, die Vorbedingungen für die Beitrittsverhandlungen einzuhalten. Die Türkei müsse Zypern anerkennen, forderte die Fraktionsvorsitzende. Gleichzeitig erneuerte sie das Angebot einer privilegierten Partnerschaft, das in die Verhandlungen eingebracht werden müsse.
Im EU-Finanzstreit mahnte sie Bewegung auf allen Seiten an. Wenn von Großbritannien Flexibilität beim so genannten Briten-Rabatt verlangt werde, dürften die Agrarsubventionen nicht für unantastbar erklärt werden, machte die Vorsitzende klar.
Bei den notwendigen Veränderungen in der EU soll nach den Vorstellungen Merkels Deutschland eine führende Rolle übernehmen. „Die Menschen wissen, dass die wirtschaftliche Schwäche unseres Landes ein Beitrag dazu ist, dass auch Europa wirtschaftlich nicht stark genug ist“, stellte Die Oppositionsführerin fest.