„Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen –reif für das 21. Jahrhundert?“
10. Juni 2011


Zu diesem höchst aktuellen Thema sprach Dr. Jörg Geerlings, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, auf Einladung des Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden der CDU Bad Godesberg, Benedikt Hauser, vor zahlreich erschienenen Zuhörern in der ehemaligen spanischen Residenz in Bonn.
Das Hauptthema an diesem Abend war der Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Deutschland, vor allem aber für Nordrhein-Westfalen: immerhin machen stromintensive Industrien in der Bundesrepublik rund eine Million Arbeitsplätze aus, die Mehrheit davon im stark industriell geprägten NRW. Diese sollten, so Dr. Geerlings, durch energiepolitische Entscheidungen nicht über Gebühr belastet werden. So stellte er die drei Prinzipien der Bundesregierung heraus, die bestimmend für die künftige Energiepolitik seien: Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.
Die Entscheidung, bis 2022 auf Atomstrom zu verzichten, ist für den Neusser CDU-Landtagsabgeordneten Risiko und Chance zugleich. Für die Umwelt biete diese Zukunft die große Chance, vermehrt auf regenerative Energiequellen zu setzen, den Anteil fossiler Brennstoffe dadurch ebenfalls zu vermindern und so zu einer insgesamt weniger umweltbelastenden Energiegewinnung zu gelangen. Das bedeute aber auch, zu einer umweltverträglichen Endlagerlösung zu gelangen und auch die Entlastung der Umwelt durch Solar- und Windkraftanlagen, Wasserkraftwerke und ähnliche Techniken bis zum Ende zu durchdenken und zu akzeptieren.
Bei allen Überlegungen zum Schutz der Umwelt warnte Geerlings eindringlich davor, die Versorgungssicherheit mit Strom zu gefährden. Während es selbst im europäischen Ausland ab und an zu Ausfällen komme, liege die mittlere Ausfallzeit in Deutschland bei unter einer Stunde. Dieser Wert müsse nach der Auffassung des Neusser Abgeordneten unbedingt gehalten werden. Dazu gelte es vor allem, das Leitungsnetz zügig auszubauen: benötigt würden ungefähr 3.700 Kilometer. „Die Parteien, die jetzt so vehement den Atomausstieg fordern, müssen auch bereit sein, diesen Ausbau mitzutragen und die Notwendigkeit auch bis in ihre unteren Gliederungen verständlich zu kommunizieren“, betonte Dr. Geerlings vor seinem Publikum in Bonn.
SPD und Grüne müssten erkennen, dass erneuerbare Energien bis auf wenige Ausnahmen aktuell nicht die Grundlast sicherstellen könnten – das gelte derzeit nur für fossile Brennstoffe. „Von daher werden auch Kraftwerksneubauten notwendig sein, um eben jene Grundlast zu erzeugen“, stellte Dr. Geerlings klar. Dass die Landesregierung die Entscheidung über die Zukunft des beinahe fertigen Kraftwerks Datteln IV dabei den Gerichten überlasse anstatt die Inbetriebnahme dieses hochmodernen Kraftwerks zu fördern, ist nicht nur ein Zeichen von Entscheidungsangst, sondern auch nachhaltig schädlich für Nordrhein-Westfalen – darin waren sich Dr. Geerlings und sein Fraktionskollege Benedikt Hauser.
Dabei müsse die Umstellung der Energieversorgung auch bezahlbar bleiben; gerade energieintensive Industriezweige litten unter jeder Preiserhöhung. Auch wenn es den Abschied von der Kernenergie nicht zum Nulltarif gebe, so müsse doch auf eine maßvolle Preisentwicklung geachtet werden. Dabei sei es wichtig, auf die eigene Energieeffizienz zu achten. Hier sieht Dr. Geerlings noch erhebliche Potenziale zur Reduktion des Stromverbrauchs vor allem im Privathaushalt.
An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an. Die Zuhörer beklagten nahezu einmütig die Geschwindigkeit, mit der die Ausstiegsbeschlüsse gefasst wurden, und hätten sich mehr Zeit gewünscht, dieses immens wichtige Zukunftsthema zu diskutieren – bei aller Einmütigkeit für den Abschied von der Kernenergie.
Die eingangs aufgeworfene Frage, ob die Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen reif für das 21. Jahrhundert sei, beantwortete Dr. Geerlings am Ende mit „Jein“, da die rot-grüne Landesregierung dem eigentlich überfälligen Diskurs zur künftigen Energieversorgung des Landes nach dem im Bund beschlossenen Atomausstieg bislang aus dem Wege gehe – wohl aus Gründen des Koalitionsfriedens.