Plenarrede zum Thema „Freier Personenverkehr und Datenschutz in Europa garantieren – Videoüberwachung an Grenzen verhindern“

09.12.2011

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren!

dass man sich einmal darüber heftig streiten würde, dass die Freiheiten innerhalb der Europäischen Union nicht weit genug gehen und dass Kameras an den Grenzen schwerwiegende Verstöße darstellen, ist schon einmal beruhigend mit Blick auf die Geschichte Europas. Die Europäische Einigung, die als eines der größten Friedensprojekte der Menschheit angesehen werden kann, wird nicht durch potenzielle Grenzkontrollen ins Wanken gebracht. Es waren ganz andere Probleme nach dem Zweiten Weltkrieg, die vor allem Deutschland und Frankreich unter Konrad Adenauer und Charles de Gaulle an ein geeintes Europa glauben ließen. Und die Geschichte hat ihnen Recht gegeben.

Umso wichtiger ist es, im grenzüberschreitenden Dialog Missstände anzusprechen und damit europäische Normalität zu leben. Ein solcher liegt hier vor. Was sind aber die Hintergründe für das Handeln unseres Nachbarn? Die Niederlande, die in vielerlei Hinsicht als besonders liberal galten, etwa in der Ausländerpolitik oder sogar im Hinblick auf Drogen haben offenbar in vielen gesellschaftlichen Bereichen eine Kehrtwende vollzogen, weil dieser Weg gescheitert ist. Der Drogentourismus soll eingedämmt werden, Konflikte um den Umgang mit Einwanderern und Multikulti haben das Land in den letzten Jahren tief bewegt. Die absolute Offenheit in alle Richtungen wird gesellschaftlich in den Niederlanden nicht mehr akzeptiert.

Es ist daher zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass sich unser Nachbar dieser Diskussion stellt. Dennoch irritiert das Vorgehen an der deutsch-niederländischen Grenze. Die Niederlande, die zu den Erstunterzeichnern des Schengener Übereinkommens im deutsch-französisch-luxemburgischen Dreiländereck gehörten, installieren an 15 Grenzübergängen automatische Überwachungsanlagen, durch die ab kommenden Januar routinemäßig alle ankommenden Fahrzeuge erfasst werden sollen. Damit will die niederländische Regierung Menschenhandel und illegale Einwanderung besser bekämpfen. Insgesamt soll eine Speichermöglichkeit von vier Wochen gesetzlich verankert werden. Wie genau diese Regelungen aussehen, ist bislang unbekannt und interessant ist sicher, dass ein Gesetz noch gar nicht vorliegt, das zumindest den Rahmen festlegt und an dem man ablesen könnte, was genau überprüft werden soll, was gespeichert wird und viele weitere wichtige Details.

Die angestrebten Ziele, nämlich Menschenhandel und illegale Einwanderung zu bekämpfen, sind sicher wichtige Gründe. Auch gegen eine Videoüberwachung in einem definierten gesetzlichen Rahmen ist als solches dem Grunde nach nichts einzuwenden. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack, wenn die Kontrollen insbesondere an den Binnengrenzen der Europäischen Union stattfinden. Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, der dazu noch Erstunterzeichnerstaat des Schengener Abkommens ist, hierzu weder mit den Nachbarstaaten noch mit der Kommission gesprochen hat.

Das erinnert stark an die Irritationen, die vorübergehende Kontrollen Frankreichs an den Grenzen zu Italien im Zuge des Migrantenansturms auf Lampedusa auslösten sowie an die jüngsten Irritationen durch Dänemark, das kurzzeitig wieder permanente Grenzkontrollen eingeführt hatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa hat derzeit aus vielen Gründen mit seiner Akzeptanz in der Bevölkerung zu kämpfen. Aber wie schrieb es so passend die FTD am 21.11.2011: „Wenn die Bürger derzeit irgendetwas Positives mit der EU verbinden, dann sind es die Umtauschfreiheit sowie die Reisefreiheit.“ Es müsse weder umgerechnet noch ständig Bargeld gewechselt werden und man habe freie Fahrt über Ländergrenzen ohne Stau, Wartezeit und Passkontrollen.

Daher gilt es, besonders sensibel mit den Errungenschaften der europäischen Einigung umzugehen. Zwar sind die genannten Freiheiten direkt nicht in Gefahr durch Kontrollen per Kamera, die Kennzeichen abgleichen, es gilt aber genau zu prüfen, ob dies mit dem Geist von Schengen vereinbar ist.

Es ist daher richtig, dass die zuständige EU-Kommission Informationen aus den Niederlanden angefordert hat und plant, die Vereinbarkeit mit dem Schengener Abkommen zu überprüfen.

Eine systematische Kontrolle könnte einer Grenzkontrolle gleichkommen und damit einen Verstoß darstellen. Hinzu tritt, dass ein gesetzlicher Rahmen bislang nicht erkennbar ist. Das Schengener Abkommen wurde durch den Amsterdamer Vertrag in das Europäische Primärrecht integriert, so dass alle Mitgliedstaaten dies beachten und umsetzen müssen. So ist vor allem die Kommission als „Hüterin der Verträge“ gehalten, über die Einhaltung zu wachen. Dies unterstreicht jedoch auch, dass mit dem aktiven Handeln der EU-Kommission die hier gestellten Anträge überholt sind und ihnen nicht zugestimmt werden kann.

#neussbewegt

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