Mehr pädagogische Kompetenz im Jugendgericht

09.01.2012

Ähnlich wie in der Wirtschaftswelt setzen auch Gerichte und Staatsanwaltschaften in NRW immer häufiger auf junge, nicht fertig ausgebildete Justiz-Fachkräfte, die – mangels Personal – dort einspringen müssen, wo normalerweise erfahrene Richter und Staatsanwälte ihre Arbeit verrichten sollten. Das ist besonders in Jugendgerichten beispielsweise in Duisburg oder Düsseldorf der Fall. Immer häufiger verhandeln dort noch relativ unerfahrene Referendare in Jugendstrafverfahren mit gewieften Anwälten der Gegenseite. Nicht selten können sie in solchen Fällen ihren Ausbilder als Ratgeber während der Verhandlung telefonisch nicht erreichen. Für mich besteht so in vielen Fällen keine „Waffengleichzeit“: Hier der Angeklagte mit Verteidiger – dort der oft unsicher und zaghaft agierende Referendar. Das widerspricht dem Anspruch des Jugendgerichtsgesetzes (§37), wonach Richter bei den Jugendgerichten und auch die Jugendstaatsanwälte erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollten.

Eine entsprechende (Kleine) Anfrage meinerseits zu dem Problem wurde jetzt via Landesregierung durch die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf nur unbefriedigend beantwortet. Mehr als 12.400 Verfahren wurden allein 2010 in den Jugenddezernaten erledigt, diese Zahl konnte mir genannt werden. Allerdings sei statistisch nicht erfasst worden, in welchem Umfang der Justiznachwuchs welche Sitzungen vor welchem Spruchkörper wahrgenommen habe. Der Aufwand, diese Zahl nachzuliefern sei zu groß. Außerdem würden die jungen Leute ausreichend durch ihre Ausbilder auf ihre Fälle vorbereitet und würden „lediglich ganz einfache Sachverhalte“ betreuen. Und die telefonische Erreichbarkeit des Ausbilders sei gewährleistet. Mehr will ich aus den Antworten meiner Kleinen Anfrage gar nicht mehr zitieren.

Die Realität im Jugendgericht sieht ganz anders aus. Dazu muss niemand – der sich wirklich auskennt – Statistiken bemühen. Fakt ist: Es fehlt mehr und mehr an pädagogischer Kompetenz in unseren Jugendgerichten. Weil unsere Richter und Staatsanwälte zunehmend dazu übergehen, Referendare als ihre Stellvertreter in die Sitzungen des Jugendgerichtes zu schicken. Dabei wird sogar stolz von „Tradition“ gesprochen. In anderen Bundesländern ist solch eine Praxis tabu. Bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ist sie m. W. Regelfall – und das ist nicht tolerabel.

Bei aller Liebe zur These von Ausbildern, „der Sprung ins kalte Wasser“ könne hilfreich sein, sich beruflich als Auszubildender schnell weiterzuentwickeln. Das darf im Fall der Jugendjustiz keineswegs weiter so praktiziert werden. Pädagogische Kompetenz lässt sich so nun mal nicht „mit Gewalt“ erlernen, sondern nur durch das Vorleben von Profis und Vorbildern im Gerichtsalltag – und der behutsamen Betreuung des kostbaren Justiznachwuchses, der nicht schon während des Referendariats „verbrannt“ werden sollte.

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